Dysphagie - Dysphagie - MSD Manual Profi-Ausgabe (2024)

Unter Dysphagie versteht man Schwierigkeiten beim Schlucken. Die Ursache der Dysphagie ist der behinderte Transport von Flüssigkeit, soliden Bestandteilen oder beidem vom Pharynx zum Magen. Die Dysphagie darf nicht mit dem Globusgefühl verwechselt werden, einem Gefühl, einen Kloß in der Kehle zu haben, das keine Schluckstörung ist und das bei ungestörtem Transport auftritt.

(Siehe auch Übersicht zu Ösophagus- Schluckstörungen.)

Der Schluckapparat besteht aus dem Pharynx, dem oberen ösophagealen (krikopharyngealen) Sphinkter, dem Ösophagus und dem unteren ösophagealen Sphinkter (LES, lower esophageal sphincter). Das obere Drittel des Ösophagus und die benachbarten Strukturen bestehen aus Skelettmuskulatur, der distale Ösophagus und der LES dagegen aus glatter Muskulatur. Diese Komponenten wirken als integriertes System, das Material vom Mund in den Magen befördert und dessen Reflux in den Ösophagus verhindert. Eine mechanische Verlegung oder eine Störung der motorischen Funktion (ösophageale Motilitätsstörungen) kann das System stören.

Ätiologie der Dysphagie

Abhängig von seiner Entstehung unterscheidet man eine oropharyngeale und eine ösophageale Dysphagie.

Oropharyngeale Dysphagie

Sie entsteht durch Störungen der Funktion proximal der Speiseröhre. Die oropharyngeale Dysphagie ist die Schwierigkeit, Material vom Oropharynx in den Ösophagus zu entleeren. Die Patienten klagen über Schwierigkeiten, den Schluckakt zu initiieren, eine nasale Regurgitation und tracheale Aspiration, gefolgt von Hustenreiz.

Die oropharyngeale Dysphagie tritt am häufigsten bei Patienten mit neurologischen oder muskulären Störungen auf, die die Skelettmuskulatur betreffen.

Tabelle

Einige Ursachen für oropharyngeale Dysphagie

Mechanismus

Beispiele

Neurologisch

Apoplex

Parkinson-Krankheit

Multiple Sklerose

Einige Motoneuronenkrankheiten (amyotrophe Lateralsklerose, progressive Bulbärparalyse, Pseudobulbärparalyse)

Bulbärpoliomyelitis

Riesenzellarteriitis

Muskulär

Myasthenia gravis

Dermatomyositis

Muskeldystrophie

Krikopharyngeale Koordinationsstörungen

Ösophageale Dysphagie

Die ösophageale Dysphagie ist die Schwierigkeit, Nahrung durch den Ösophagus zu befördern. Sie resultiert entweder aus einer Störung der Motilität oder einer mechanischen Verlegung.

Tabelle

Einige Ursachen für ösophageale Dysphagie

Mechanismus

Beispiele

Motilitätsstörung

Achalasie

Chagas-Krankheit

Distaler Ösophagusspasmus

Systemische Sklerose

Eosinophile Ösophagitis

Mechanische Verlegung

Peptische Stenose

Ösophaguskarzinom

ösophagealer Ring

Membranöse Ösophaguseinengungen (Schatzki-Ring)

Strahlungsstrikturen

Extrinsische Kompression (z. B. verursacht durch einen vergrößerten linken Vorhof, ein Aortenaneurysma, eine aberrante A. subclavia [bezeichnet als Dysphagie lusoria], eine substernale Schilddrüse, eine zervikale knöcherne Exostosis oder einen Tumor des Thorax)

Ingestion von ätzenden Substanzen

Komplikationen der Dysphagie

Oropharyngeale Dysphagie kann zu trachealer Aspiration von verschluckten Substanzen, oralen Sekreten oder beidem führen. Aspiration kann eine akute Lungenentzündung verursachen; rezidivierende Aspiration kann schließlich zu chronischen Lungenerkrankungen führen. Anhaltende Dysphagie führt häufig zu einer unzureichenden Ernährung und zu Gewichtsverlust.

Ösophagusdysphagie kann zu Gewichtsverlust, Unterernährung, trachealer Aspiration von verschlucktem Material und in schweren Fällen zur Impaktion von Nahrung führen. Durch Nahrungsmittelimpaktionen besteht für Patienten das Risiko einer spontanen Ösophagusperforation, die zu Sepsis und sogar zum Tod führen kann.

Untersuchung der Dysphagie

Anamnese

Die Anamnese zum Verlauf der aktuellen Krankheit beginnt mit der Dauer der Symptome und der Geschwindigkeit der Krankheitsbeginns. Die Patienten sollten beschreiben, welche Stoffe zu Schwierigkeiten führen und wo sich die Störung befindet. Zu berücksichtigen ist dabei, ob Patienten Schwierigkeiten haben, feste Stoffe, Flüssigkeiten oder beides zu schlucken, ob ihnen Lebensmittel aus der Nase kommen, ob sie sabbern oder Essensreste an ihrem Mund haben, ob sie eingeklemmte Speisereste hatten und ob sie husten oder würgen während des Essens.

Die Überprüfung der Symptome sollte sich auf Symptome konzentrieren, die auf neuromuskuläre, gastrointestinale (GI) und systemische rheumatische Erkrankungen (insbesondere systemische Sklerose) hindeuten, und auf das Vorliegen von Komplikationen. Wichtige neuromuskuläre Symptome sind Schwäche und leichte Ermüdbarkeit, Gang- oder Gleichgewichtsstörung, Zittern und Schwierigkeiten beim Sprechen. Wichtige gastrointestinale Symptome sind Sodbrennen oder andere Brustbeschwerden, die für Reflux verdächtig sind. Zu den Symptomen systemischer rheumatischer Erkrankungen können Muskel- und Gelenkschmerzen, das Raynaud-Phänomen und Hautveränderungen (z. B. Hautausschlag, Schwellungen, Verdickungen) gehören.

Die Anamnese sollte bekannte Krankheiten erfragen, die Dysphagie verursachen können (siehe Tabellen Einige Ursachen für oropharyngeale Dysphagie und Einige Ursachen für ösophageale Dysphagie).

Körperliche Untersuchung

Die Untersuchung konzentriert sich auf Befunde, die auf neuromuskuläre, gastrointestinale und systemische rheumatische Erkrankungen hindeuten, sowie auf das Vorliegen von Komplikationen.

Die allgemeine Untersuchung sollte den Ernährungszustand (einschließlich Körpergewicht) abklären. Eine vollständige neurologische Untersuchung ist wichtig, wobei besonderes Augenmerk jedem Ruhetremor, den Hirnnerven (man beachte, ein Würgereflex muss normalerweise nicht vorhanden sein; dieses Fehlen ist daher kein guter Marker für eine Schluckstörung) und der Muskelkraft gilt. Patienten, die über eine leichte Ermüdbarkeit berichten, sollten beobachtet werden, wenn sie eine sich wiederholende Handlung ausführen (z. B. Blinzeln, lautes Zählen), um eine schnelle Leistungsabnahme zu erreichen, die auf eine Myasthenia gravis hindeutet. Der Gang der Patienten sollte beobachtet und der Gleichgewichtssinn getestet werden.

Die Haut ist auf Ausschlag und Verdickung oder Texturveränderungen zu untersuchen, insbesondere an den Fingerspitzen.

Die Muskeln werden auf Abbau und Faszikulationen geprüft und auf Schmerzhaftigkeit abgetastet. Der Hals ist auf eine Sruma oder andere Raumforderungen zu untersuchen.

Warnzeichen

Jede Dysphagie ist besorgniserregend, aber bestimmte Befunde machen sie noch dringlicher:

  • Symptome einer kompletten Obstruktion (z. B. Speichelfluss, Unfähigkeit, etwas zu schlucken)

  • Dysphagie, die zu Gewichtsverlust führt

  • Neue fokale neurologische Defizite, insbesondere jede objektive Schwäche

  • Rezidivierende Aspirationspneumonie

Interpretation der Befunde

Eine Dysphagie, die in Verbindung mit einem akuten neurologischen Ereignis auftritt, ist wahrscheinlich das Ergebnis dieses Ereignisses; eine neu aufgetretene Dysphagie bei einem Patienten mit einer stabilen, langjährigen neurologischen Störung kann eine andere Ursache haben. Eine Dysphagie allein für feste Nahrungsbestandteile lässt eine mechanische Obstruktion vermuten; ein Problem mit fester und flüssiger Nahrung ist dagegen unspezifisch. Sabbern und das Verkleckern von Essensresten aus dem Mund während des Essens oder nasale Regurgitation deuten auf eine oropharyngeale Störung hin. Die Regurgitation einer kleinen Menge von Nahrungsbestandteilen aufgrund einer seitlichen Kompression des Halses ist nahezu diagnostisch für ein pharyngeales Divertikel.

Patienten, die Schwierigkeiten damit haben, wie die Nahrung den Mund verlässt, oder über das Steckenbleiben von Essen in der unteren Speiseröhre klagen, lokalisieren die Ursache in der Regel richtig; das Gefühl der Dysphagie in der oberen Speiseröhre ist dagegen weniger spezifisch.

Viele Befunde legen bestimmte Erkrankungen nahe (siehe Tabelle Einige hilfreiche Befunde in Bezug auf Dysphagie), sind aber von unterschiedlicher Sensitivität und Spezifität und somit nicht geeignet, eine bestimmte Ursache ein- oder auszuschließen. Sie können jedoch die Untersuchung leiten.

Tabelle

Tabelle

Einige hilfreiche Befunde in Bezug auf Dysphagie

Befund

Mögliche Ursache

Tremor, Ataxie, Gleichgewichtsstörung

Parkinson-Krankheit

Fokale leichte Ermüdbarkeit, insbesondere der Gesichtsmuskeln

Myasthenia gravis

Muskelfaszikulation, -abbau, -schwäche

Motoneuronenerkrankung, Myopathie

Rasch fortschreitende, konstante Dysphagie, keine neurologischen Befunde

Ösophagusobstruktion, vermutlich Krebserkrankung

Speiseimpaktion

Eosinophile Ösophagitis

Gastrointestinale Refluxsymptome

Peptische Stenose

Intermittierende Dysphagie

Unterer Ösophagusring oder distaler Ösophagusspasmen

Langsame Progression (Monate bis Jahre) der Dysphagie in Bezug auf feste Nahrungsbestandteile und dann auf Flüssigkeiten, manchmal mit nächtlichem Aufstoßen

Achalasie

Raumforderung, Struma

Extrinsische Kompression

Dunkelroter Hautausschlag, Muskelschmerzhaftigkeit

Dermatomyositis

Raynaud-Phänomen, Arthralgien, Hautstraffung/Kontrakturen der Finger

Systemische Sklerose

Testverfahren

  • Obere Endoskopie

  • Bariumbreischluck

Patienten mit Schluckstörungen sollten immer oberen Endoskopie, die extrem wichtig ist, um auszuschließen, Krebs (1). Während der Endoskopie sollten ösophageale Biopsien durchgeführt werden, um nach einer eosinophilen Ösophagitis zu fahnden.

Ein Bariumbreischluck (mit einem festen Bolus, in der Regel einem Marshmallow oder einer Tablette) kann durchgeführt werden, wenn bei dem Patient keine obere Endoskopie vorgenommen werden kann oder wenn die obere Endoskopie mit Biopsie keine Ursache findet.

Wenn der Bariumbreischluck negativ und die obere Endoskopie normal ausfällt, werden Motilitätsuntersuchungen der Speiseröhre angesetzt. Andere Tests auf spezifische Ursachen werden durchgeführt, wenn die Befunde dies nahelegen.

Die Impedanzplanimetrie misst gleichzeitig die Fläche über der Innenseite der Speiseröhre und den Druck im Inneren des Lumens. Dieses Verfahren ermöglicht die Messung der Ösophagusdehnbarkeit und kann bei der Beurteilung von Patienten mit Dysphagie hilfreich sein.

Evaluationshinweis

  1. 1. ASGE Standards of Practice Committee, Pasha SF, Acosta RD, et al: The role of endoscopy in the evaluation and management of dysphagia.Gastrointest Endosc 79(2):191-201, 2014. doi: 10.1016/j.gie.2013.07.042

Behandlung der Dysphagie

Die Behandlung einer Dysphagie richtet sich nach der spezifischen Ursache. Wenn eine vollständige Obstruktion auftritt, ist eine notfallmäßige obere Endoskopie unerlässlich. Wenn eine Striktur, ein Ring oder ein Netz gefunden wird, wird eine sorgfältige endoskopische Dilatation durchgeführt. Bis zur Entscheidung können Patienten mit einer oropharyngealen Dysphagie von der Untersuchung durch einen Rehabilitationsspezialisten profitieren. Manchmal tut Patienten ein Wechsel der Kopfposition während des Essens gut, ein Training der Schluckmuskeln, Übungen, die die Fähigkeit verbessern, einen Nahrungsbolus in der Mundhöhle aufzunehmen, oder Übungen zur Kräftigung und Koordination für die Zunge. Patienten mit schwerer Dysphagie und rezidivierender Aspiration benötigen eine Magensonde.

Grundlagen der Geriatrie: Dysphagie

Kauen, Schlucken, Schmecken und Kommunizieren erfordert eine intakte, koordinierte neuromuskuläre Funktion in Mund, Gesicht und Hals. Insbesondere die orale Motorik nimmt mit dem Alter messbar ab, auch bei gesunden Menschen. Der Funktionsrückgang hat viele Erscheinungsformen:

  • Eine Reduktion in Bezug auf Kraft und Koordination der Kaumuskulatur ist verbreitet, vor allem bei Patienten mit teilweisem oder vollständigem Zahnersatz, und kann zu der Tendenz führen, größere Nahrungsbestandteile zu schlucken, die das Risiko des Erstickens oder der Aspiration erhöhen.

  • Das Erschlaffen von unterer Gesichtshälfte und Lippen aufgrund eines verminderten perioralen Muskeltonus und einer reduzierten Knochenunterstützung beim zahnlosen Menschen ist ein ästhetisches Problem und kann zum Sabbern führen, zum Kleckern mit Speisen und Flüssigkeiten und zu der Schwierigkeit, die Lippen beim Essen, Schlafen oder Ruhen zu schließen. Eine Sialorrhö (vermehrter Speichelfluss) ist oft das erste Symptom.

  • Die Probleme beim Schlucken verstärken sich. Es dauert länger, um Nahrung vom Mund bis zum Oropharynx zu transportieren, was die Wahrscheinlichkeit für eine Aspiration erhöht.

Nach altersbedingten Veränderungen sind die häufigsten Ursachen für orale motorische Störungen neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. kraniale Neuropathien infolge Diabetes, Schlaganfall, Morbus Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose, multiple Sklerose). Auch iatrogene Ursachen tragen dazu bei. Medikamente (z. B. Anticholinergika, Diuretika), Strahlentherapie an Kopf und Hals sowie Chemotherapie können die Speichelproduktion erheblich beeinträchtigen. Hyposalivation ist eine der Hauptursachen für verzögertes und beeinträchtigtes Schlucken.

Eine orale motorische Dysfunktion wird am besten mit einem multidisziplinären Ansatz behandelt. Koordinierte Überweisungen zu Fachärzten für prothetische Zahnheilkunde, rehabilitative Medizin, Logopädie, HNO und Gastroenterologie können erforderlich sein.

Wichtige Punkte

  • Alle Patienten, die über Dysphagie klagen, sollten einer oberen Endoskopie unterzogen werden, um eine Krebserkrankung auszuschließen.

  • Wenn die obere Endoskopie keine strukturellen Ursachen für die Symptome zeigt, sollten Biopsien entnommen werden, um eine eosinophile Ösophagitis auszuschließen.

  • Die Behandlung einer Dysphagie richtet sich nach der Ursache.

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